Landschaft der Musenkunst
Countryfizierte Melancholie liebenswert gezeichneter Typen, Mariachi, Jazz
und Cajun: "Acadian Post" feiern am Sonnabend in der Schilleroper ihr
Debütalbum, das dieser Tage auf dem Hamburger Label XXS
veröffentlicht wird. "Acadiana" hieß eigentlich das Land, das
sich über etwa 300 Meilen entlang der Golfküste zwischen Texas
und Louisiana erstreckt, das Land der Bayous und Sümpfe, Prärien
und Reisfelder. Es waren ursprünglich französische Siedler, die
sich im 18. Jahrhundert, nachdem sie aus Kanada vertrieben wurden, dort
niederließen und ihre neue Heimat mit dem Namen "Cajun County"
bezeichneten. Bei dem Ort, nach dem sich die Hamburger Band Acadian Post
benannte, handelt es sich aber laut eigenen Angaben eher um einen
imaginären Trapperposten, an dem Dock Boggs 1925 seinen Hut
vergaß, Hank Williams 1950 in einsamer Traurigkeit eine Flasche
Whiskey leerte und an den sich 1953 John Coltrane für sechs Monate
zurückzog, um 13 Stunden täglich zu üben. Auf ihrem dieser
Tage erscheinenden, von Dinesh Ketelsen (Fink) produzierten Debütalbum
haben die unterschiedlichsten Referenzen ihre Spuren hinterlassen. Die
neben Country und Jazz ebenso mit Barockmusik vertrauten und durch
jahrelange Straßenmusik geschulten Musiker lassen Cajun-Rhythmen auf
Mariachi-Trompeten treffen, wie sie Calexico kaum schöner zu bieten
haben, und die mal mehr und mal weniger countryfizierten Melodien erfahren
durch eine leichte Prise Jazz etwas, das im gastronomischen Kontext wohl
als die richtige Würze bekannt ist. Das einzige, worauf man vergebens
wartet, ist der quetschige Sound eines Akkordeons - doch das würde die
ohnehin melancholische Stimmung wohl mit einer fast gefährlichen
Traurigkeit versehen. In den Texten wird außer von "Forgotten Times"
und "Veiled Voices" auch von liebenswürdigen Typen berichet, die ihre
Angebetete zu einem Spaziergang an die Gleise einladen, um die Züge
ankommen zu sehen - mit denen sie dann doch nicht fortfahren. Wem das noch
nicht genügt, dem sei versichert, dass die Musik von Acadian Post, die
im vergangenen Jahr das Vorprogramm für David Lowerys Cracker
bestreiten durften, einen durch weit mehr als einen achtlosen Versprecher
in das weltentfernte, glückliche Arkadien zu versetzen imstande sind,
dem die Hirtendichtung Vergils den Ruf einer der Musenkunst geweihten
Landschaft verlieh. Selbst schuld, wer am heutigen Abend nicht von sich
sagen kann: Auch ich bei Acadian Post.
Matthias Seeberg